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St. Petri und Pauli Bergedorf
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Kommunikation

Sprache - und ihre Hürden

Die Sprachen in internationalen Zusammenhängen sind neben Englisch auch Französisch, Russisch oder Chinesisch. Ersteres ist für uns selbstverständlich, weil es dem Deutschen am verwandtesten ist. Bei den Besuchen von Mbigilier*innen hier wünschen wir uns, dass die Besucher*innen auch auf Englisch kommunizieren können, da man sich sonst nur sehr schwer unterhalten kann.

So führt es manchmal zu Verwunderung, dass ein Teil der Gäste aus Mbigili gar kein Englisch sprechen kann. Auch die Kommunikation zwischen denjenigen Mbigiliern, die Englisch sprechen können – ja, es waren ausschließlich Männer – und uns, ist schwieriger als zuerst gehofft. Was steckt dahinter?

In der Region Mbigili wird Kinjakusa gesprochen. Das ist einer über 130 eigenständigen Sprachen in Tansania. Neben dieser ersten Sprache lernen Kinder oft bereits von ihren Eltern Kiswahili. Damit können sie sich mit eigentlich allen Menschen in Tansania und auch darüber hinaus verständigen. In der Sekundarschule lernen die Schüler*innen als dritte Sprache Englisch. Ab der Oberstufe ist dann der gesamte Unterricht und auch die Abiturprüfung auf Englisch. Die Sprachkenntnisse des Englischen für einen Abschluss sind jedoch nicht mit denen eines deutschen Abiturs vergleichbar. Einer der Gründe dafür ist, dass es für die Mbigilier*innen viel schwerer ist, Englisch zu lernen als für uns. Ihre Muttersprache und Englisch haben nichts gemein: nicht in der Grammatik, nicht in den Vokabeln und nicht im kulturellen Hintergrund.

Bildung ist für alle Tansanier*innen ein hohes Gut und darin wird viel investiert, doch gerade in den weiterführenden Schulen schrumpft die Zahl der Schüler*innen und gerade die der Mädchen aufgrund von Geldmangel, Schwangerschaften oder Unterstützung der Familien.

Kommunikation: mehr als Sprache und wortwörtliche Übersetzung

Gleichwohl ist die Verständigung wohl die größte Herausforderung der Partnerschaft. Das Fehlen einer sprachlichen Mitte ist real aber sollte aber nicht die Partnerschaft als solche in Frage stellen. Die Mbigilier*innen investieren sprachlich gesehen deutlich mehr in die Partnerschaft als wir. Das wiederum relativiert den Anspruch an die englischen Sprachfähigkeiten von Gästen aus Mbigili. Vielmehr geht es darum pragmatische Lösungen zu finde für eine gelingende Kommunikation. Die Herausforderung beim Übersetzen ist jedoch, dass es um mehr geht als nur um das Übertragen von Wörtern in eine andere Sprache. Kultursensibles Erklären, Deuten und Dialog führen ist genauso wichtig, denn eben auch kulturell sind unsere Sprachen weit voneinander entfernt wie unsere Länder auch.

Staatsgrenzen als Bedingung für heutige Sprachverbreitung

Kommunikation
Friederike im Gespräch an der Kirche in Mbigili

Weshalb werden in Tansania eigentlich so viele verschiedene Sprachen gesprochen? Sowohl in Europa als auch in Afrika ist Sprachverbreitung eng geknüpft an die Geschichte von Staaten und Reichen. In Europa haben sich unsere heutigen Grenzen mit ihren jeweiligen Sprachen über einen langen Zeitraum gebildet. Auch in Afrika sind die heutigen Grenzen historisch begründbar, doch in einer ganz anderen Weise: Während der Kolonialzeit wurden viele verschiedene Reiche mit ihren unterschiedlichen Traditionen und Sprachen von den europäischen Mächten erobert. Auf der Kongokonferenz 1885 zogen die Kolonialmächte im Wettlauf um Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent die Grenzen der Kolonien mit einem Lineal! - ohne Rücksicht auf die real bestehenden kulturellen, traditionellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der Regionen und Menschen.

Reflexion: Erzählungen über Sprache im Kontext kolonialer Denkmuster

Beim Thema Sprache wird deutlich, dass das Verwenden bestimmter Begriffe auch bestimmte Wertungen impliziert. Deshalb hier ein paar Gedanken dazu:

Europäische Sprachforschung nahm sich lange Zeit heraus, westliche Sprachen wie Deutsch als Herrensprache und afrikanische Sprachen als primitive Sprachen zu bewerten. Im ersten Moment könnte man meinen, dass solche Überzeugungen überholt seien. Aber vieles davon versteckt sich noch immer in manchen Erzählungen heute -nicht in allen und erst recht nicht bewusst. Ein Beispiel ist, wenn von „Stammessprachen“ anstatt vieler Sprachen in Afrika berichtet wird. Manchmal heißt es auch, dass es schlicht nicht möglich sei, westliche Ideenkonstrukte mit afrikanischen Sprachen auszudrücken, weil die Vokabeln fehlen würden. Doch stopp – solch banale Beschreibungen zeigen ein Weltbild auf, welches nur so vor (neo)kolonialen Überzeugungen trieft, auch wenn das oft nicht die Intention des Sprechenden ist. Die vielen Sprachen Afrikas als „Stammessprachen“ zu bezeichnen, meint unterschwellig, dass diese Sprachen weniger entwickelt, primitiver als das hochentwickelte Deutsch seien. Unsere Sprache wird oft immer noch als das Ideal und der Ausganspunkt für die Beschreibung und damit auch als Bewertungsmaßstab afrikanischer Sprachen festgelegt. Ein Blick auf den afrikanischen Kontinent zeigt uns jedoch, dass viele eigenständige und in ihrer Bildung und Grammatik völlig unterschiedliche Sprachen auf kleinem Raum nebeneinander existieren. Nicht immer werden sie von vielen Menschen gesprochen – zumindest im globalen Vergleich. Die Formulierung „Dialekt“ ist somit inhaltlich oft nicht treffend.

Diese beispielhafte Betrachtung zeigt, dass es an uns ist, zu reflektieren, inwiefern das was wir denken mit dem, was wir sagen, übereinstimmt. Und wenn nicht, ist es unsere Möglichkeit und Verantwortung, daran etwas zu ändern.

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Mehr Informationen zum Thema Sprache und deren Erforschung im (post)kolonialen Kontext bietet dieser Aufsatz:
Cyffer, Norbert: Gibt es primitive Sprachen - oder ist Deutsch auch primitiv?, in: Stolz, Thomas; Vossmann, Christina; Dewein, Barbara: Kolonialzeitliche Sprachforschung. Die Beschreibung afrikanischer und ozeanischer Sprachen zur Zeit der deutschen Kolonialherrschaft, Berlin 2011, S. 55-76.

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