Gedanken zu Epiphanias und dem Holocaustgedenktag am 27. Januar von Prädikantin Dr. Nicole Knaack
Im Januar begeht die evangelische Kirche den Holocaustgedenktag. Meistens passiert nichts in den Kirchen. Vielleicht ein Fürbittengebet, ein Hinweis in der Sonntagspredigt. Nur selten gibt es Sondergottesdienste mit Raum für Erinnerung, Trauer, Trost und Hoffnung. In den letzten Jahren habe ich immer wieder gehört, dass das Thema „ziemlich nerve“ und schon in der Schule für Langeweile sorge. „Wer will damit noch etwas zu tun haben nach all den vielen Jahren?“. „Und dann Israel -, da läuft ja auch einiges schief“.
Genau diese Meinungen bewegen mich, zurückzublicken in die Zeit, die Ende und Anfang für die Juden zugleich war.
22. Januar 1979. Der Stern berichtet, dass an diesem Tag in Deutschland Fernsehgeschichte geschrieben wurde. Anhand der jüdischen Familie Weiss und der deutschen Familie Dorf wurde die Verfolgung der Juden in einem Spielfilm dargestellt. Das Schweigen über die Ermordung von 6 Millionen Juden wurde öffentlich gebrochen. Jeder, der es wollte, konnte am Bildschirm verfolgen, wie der Antisemitismus in Deutschland mehr und mehr offen gelebt wurde. Juden wurden von ihren Nachbarn verraten. Sie profitierten von ihrem beschlagnahmten Eigentum und den leerstehenden Wohnungen.
Der mehrteilige Film „Holocaust“ zeigte, wie Menschen systematisch ausgegrenzt, deportiert und schließlich umgebracht wurden. Dieser Film war erstmals ein öffentliches Bekenntnis zur eigenen Verstrickung der Deutschen in die Geschehnisse während der Judenverfolgung.
Es hagelte massenhaft Kritik. Für viele war die Story nicht wahrhaftig genug, zu sehr weichgespült. Und es stimmt: Viele spätere Filme wie z.B. Polanskis „Pianist“ holen uns ungeschminkter und ehrlicher in das Geschehen der Shoah hinein. Aber trotz der Kritik, es könne eine Banalisierung des Bösen stattfinden, empfanden damals viele Menschen diesen Film als Nestbeschmutzung. Rechtsradikale versuchten sogar, die Ausstrahlung des Mehrteilers durch Sprengstoffanschläge zu verhindern. Die ARD zog wohl auch aus diesem Grund das Projekt aus dem Hauptprogramm zurück. Der Film wurde dann schließlich in den Dritten Programmen ausgestrahlt.
Und so fiel die Zuschauerreaktion aus: 41% Einschaltquote, 30.000 Anrufe, 12.000 Briefe. Ohne das Internet, das es damals noch nicht gab, war das eine enorme Resonanz. Das Filmformat hatte erreicht, dass sich die Deutschen mit der dunklen Seite ihrer Geschichte auseinandersetzten. Und das, obwohl die sogenannten „anständigen Deutschen“ aufgefordert waren, die Ausstrahlung zu boykottieren. Die Zerstörung von Fernmeldeanlagen in einem Terroranschlag hatte die Ausstrahlung jedoch nicht verhindert. Viele junge und auch ältere Menschen begriffen damals erstmals das ganze Ausmaß und die Bedeutung der Judenvernichtung, die sie teilweise miterlebt haben.
1987 wurden die Täter der Sprengstoffanschläge festgenommen und bestraft. Ein Doppelagent des DDR- Ministeriums für Staatssicherheit hatte schließlich den entscheidenden Hinweis hierfür gegeben.
Wer sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder (oder seine Schwester), der ist noch in der Finsternis (1. Johannesbrief 2,9). Das Licht der Welt ist immer mitten unter uns. Es scheint, wenn wir noch orientierungslos auf der Suche sind. Oft genug zeigt sich Gott nicht. Gott erscheint uns dann manchmal wie eingewoben in unsere eigene dunkle Seite. Gerade dann gilt es, Wahrheiten auszuhalten und anzuerkennen, auch wenn es schmerzt. Lasst es Licht werden!
Prädikantin Dr. Nicole Knaack