...dass auch in früheren Zeiten regelmäßig für ganz bestimmte Zwecke gesammelt wurde?
Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Da liegt es nahe, auf einen speziellen Spendenzweck hinzuweisen, der in den Kirchen Hamburgs und ganz Norddeutschlands propagiert wurde. 1953 erhielt das Museum für Bergedorf und die Vierlande drei Sklavenkassenfiguren aus unserer Gemeinde, deren Gebrauchsspuren und Reparaturen darauf hindeuten, dass sie lange Zeit in Ehren gehalten wurden.
Die etwa 30 cm hohen Skulpturen stellen drei Männer dar, gekleidet in ein hüftlanges, glattes, enges Wams und knielange Pluderhosen. Sie stehen barfuß auf einem kleinen runden Sockel, der wie ein grob geschnitztes Rasenstück aussieht. Eine schwere Kette um ihre Hüften ist mit einem Eisen, das ihre Wade umschließt, verbunden. Die leicht geneigten Köpfe und bittend zusammengelegten Hände sollen das Mitleid der Betrachtenden erwecken. Schon im 15. und 16. Jahrhundert musste Hamburg Lösegeld für in Gefangenschaft geratene Seeleute bezahlen. Es herrschte ein unaufhörlicher Kaperkrieg im Mittelmeer. Man eroberte Handelsschiffe der jeweils anderen Seite, verkaufte Schiff und Ladung oder gab sie gegen Lösegeld zurück. Die gefangenen Europäer durften Briefe nach Hause schreiben und ihr Schicksal schildern. Ihre Namen waren in Sklavenbüchern verzeichnet. Mit der Konjunktur des Handels mit nordafrikanischen Staaten nahmen die Forderungen so sehr zu, dass 1622 Schiffer und Steuerleute die „Cassa der Stücke von Achten“ gründeten. Seit 1624 waren alle Seeleute verpflichtet je nach Zielgebiet gestaffelt in diese Kasse einzuzahlen. Und ab 1641 sollte zweimal, später viermal im Jahr in den Hamburger Kirchen für die Sklavenkasse gesammelt werden. Bald danach wurden Skulpturen aus Holz neben den Kollektenbecken aufgestellt, die auf die schlimme Lage der gefangenen Seeleute hinweisen sollten.
1801 wurde die Sklavenkasse aufgelöst und die Figuren aus den Hamburger Kirchen eingesammelt und später von der Admiralität an die Sammlung der Hamburgischen Altertümer abgegeben. Bis zu seiner jetzigen Schließung waren Im Museum für Hamburgische Geschichte diese 18 Sklavenkassenfiguren ausgestellt.
Wer mehr über die Handelsbeziehungen Hamburgs nach Nordafrika wissen möchte, kann bei Gregor Rohmann, „Vor die armen Gefangenen – Bergedorf und die Hamburger Sklavenkasse“ (in: Kirche zwischen Dorf und Stadt, St. Petri und Pauli zu Hamburg-Bergedorf in der Geschichte/Hrsg. Museum für Bergedorf und die Vierlande 2002. S. 154-159) nachlesen. Das Buch können Sie für 5 € in unserer Kirche erwerben.
Dr. Charlotte Klack-Eitzen